Klinik für Palliativmedizin

Ernährungstherapie in der Palliativmedizin

(01.08.2024)

In diesem Beitrag möchte ich, Maike Groeneveld aus Bonn, meine Erfahrungen und Erkenntnisse zur Ernährungstherapie in der Palliativmedizin teilen.

Mein Weg in die Palliativmedizin

Seit über 25 Jahren bin ich in der Ernährungsberatung tätig und betreibe eine eigene Praxis in Bonn. 2014 begann mein Interesse für Palliativmedizin, nachdem ich in einem Interview las, wie dringend Unterstützung in diesem Bereich benötigt wird. Dies inspirierte mich dazu, einen Befähigungskurs als ehrenamtliche Hospizhelferin zu absolvieren. Seit 2015 arbeite ich ehrenamtlich für das Zentrum für Palliativmedizin in Bonn, wo ich Menschen zu Hause besuche und ihre Angehörigen entlaste.

Gründung der Sektion Ernährung in der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin

2018 gründeten wir die Sektion Ernährung innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP). Unsere Sektion besteht aus 15 Diätassistentinnen und Ernährungswissenschaftlerinnen, die sich intensiv mit den speziellen Ernährungsbedürfnissen von Palliativpatienten auseinandersetzen. Zu unseren Projekten zählen die Erstellung einer Handreichung zum freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken am Lebensende, die Mitwirkung an der Überarbeitung der Leitlinie Onkologie und die Entwicklung eines Praxishandbuchs zur Ernährung in der Palliativmedizin, das 2025 erscheinen soll.

Die Rolle der Ernährungstherapie in der Palliativmedizin

Die Palliativmedizin hat das Ziel, Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen Erkrankungen würdevoll zu begleiten, ihre Symptome zu lindern und ihre Angehörigen zu unterstützen. Hierbei spielt die Ernährung eine zentrale Rolle. Patienten werden in Kliniken, Hospizen, Pflegeeinrichtungen oder zu Hause betreut. Dabei ist es wichtig, den Menschen in seiner physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimension zu sehen.

Phasenangepasste Ernährungstherapie

Eine palliative Erkrankung verläuft in verschiedenen Phasen, die unterschiedliche Ansätze der in der Palliativmedizin erfordern. In der Rehabilitationsphase, die mehrere Jahre dauern kann, steht die Erhaltung des „normalen“ Lebens im Vordergrund. In der prä-terminalen Phase rückt der Tod näher und die Lebensmöglichkeiten sind stärker eingeschränkt. In der terminalen Phase sind die Betroffenen oft bettlägerig und nicht mehr ansprechbar. Schließlich umfasst die finale Phase nur noch wenige Stunden.

Wichtig ist es, die Erwartungen und Ziele der Patienten zu verstehen und ihre Symptome und Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen. Die  Palliativmedizin zielt darauf ab, die Lebensqualität zu erhalten, Selbstbestimmung zu ermöglichen und die Symptomlast zu verringern. Essen und Trinken, die normalerweise Freude bereiten, können in dieser Situation zu einer Last werden, beispielsweise bei Übelkeit oder entzündeter Mundschleimhaut. Hier können Ernährungsfachkräfte durch Anpassung der Ernährung an die Bedürfnisse und Wünsche der Patienten viel bewirken.

Der Nutrition Care Prozess

Der Nutrition Care Prozess beginnt mit einem Screening auf Mangelernährung als Teil des Assessments, gefolgt von einer Ernährungsdiagnose und gezielten Interventionen. In der Palliativmedizin ist ein engmaschigeres Monitoring notwendig, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen wirksam und verträglich sind. Das Assessment berücksichtigt auch Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und Essbiografien.

Die Bedeutung von Essbiografien

Essen und Trinken sind stark mit Emotionen und Erinnerungen verbunden, was bei der Ernährungstherapie in der Palliativmedizin besonders berücksichtigt werden sollte. Eine spezielle Essensbiografie für Palliativpatienten, die auch von Ehrenamtlichen ausgefüllt werden kann, hilft dabei, die individuellen Bedürfnisse besser zu verstehen. Ein Beispiel zeigt, wie eine Patientin durch das Angebot von gedünsteten Äpfeln mit Zuckerglasur, einer Erinnerung an ihre Vergangenheit, große Freude erlebte.

Abschließende Gedanken

In den letzten Lebensphasen geht es darum, Symptome wie Hunger und Durst zu lindern und die Wünsche der Patienten zu erfüllen. Es ist wichtig, den Angehörigen zu vermitteln, dass ihre Liebsten nicht verhungern, sondern die Ernährung sich dem Zustand anpasst. Die Ernährungstherapie in der Palliativmedizin ist entscheidend für die Lebensqualität und das Wohlbefinden. In den verschiedenen palliativen Phasen ändern sich die Ernährungsbedürfnisse, daher muss die Therapie vorausschauend angepasst werden. Es braucht mehr spezialisierte Ernährungsfachkräfte, Forschung und Schulungsprogramme in diesem Bereich.

Für weitere Informationen und Kontakte zur Sektion Ernährung besuchen Sie bitte die Webseite der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Gemeinsam können wir die Lebensqualität und den Genuss bis zum Lebensende verbessern.